Der Mildred-Harnack-Projekttag in der Oberstufe
Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe nahmen am diesjährigen Projekttag am 17. September mehrere Angebote zum Thema NS-Herrschaft und Widerstand wahr. Während die 11. Klassen dem Holocaust-Mahnmal einen Besuch abstatteten, besuchten die Jahrgänge 12 und 13 das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide.
Das Tutorium von Herrn Theus war am Ende des Projekttages "tief beeindruckt und sehr berührt". Daraus ergab sich ein Fotoeinblick, kreiert von Herrn Theus.
Die Schüler des Jahrgangs 13 beschrieben folgendermaßen ihre Erlebnisse im Dokumntationszentrum NS-Zwangsarbeit:
Am 17.09.2024 besuchten wir, Islam, Oleksandr und Jonas, das ehemalige Zwangsarbeitslager in Berlin. Unser Tag begann um 10 Uhr in Haus 5, wo uns zunächst erklärt wurde, was Zwangsarbeit im NS-Regime bedeutete. Millionen Menschen, darunter viele aus Osteuropa, wurden verschleppt und unter schrecklichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. „Wir hatten ständig Hunger, und wenn man die 12-stündige Arbeitsschicht, den nächtlichen Alarm und die Luftangriffe in Betracht zieht, schlug sich das auf unsere Verfassung nieder.“ (zitiert von Frantisek Vanda, tschechischer Zwangsarbeiter, 1942 untergebracht in einem Sammellager in Berlin-Reinickendorf.). Die Lager waren bewusst offen gestaltet, sodass alles öffentlich sichtbar war. Es sollte Angst und Abschreckung erzeugen.
In Haus 2 betrachteten wir eine Ausstellung mit Propagandabildern und Fotos aus der Zeit. Besonders schockierend war ein Bild eines ukrainischen Dorfes, dessen Bewohner gewaltsam nach Deutschland gebracht wurden. Die Nazis versuchten, die Zwangsarbeit zu verharmlosen, während sie in Wahrheit „Vernichtung durch Arbeit“ bedeutete. „Der [deutsche] Kommandant war ein Veteran des Russland-Feldzuges und behandelte uns wie Tiere. Morgens kam er schreiend in die Unterkünfte und kontrollierte uns, dabei richtete er die Pistole gegen unser Gesicht.“ (zitiert von Mario Maturi, italienischer Militärinternierter, 1944 untergebracht in einem Lager in Rüdersdorf bei Berlin.). Aussagen von Zeitzeugen erinnerten daran, wie diese Grausamkeiten direkt vor den Augen der Zivilbevölkerung stattfanden.
Im Haus 13, einer Baracke aus Stein, sahen wir die einfachen Toiletten und Badezimmer, die den Zwangsarbeitern zur Verfügung standen. „In jeder Baracke gab es sechs Stuben, in jeder Stube wohnten am Anfang 16, später 18 und 1945 oder schon Ende 1944 gab es in einigen Stuben sogar 22 Personen. In den Stuben standen hölzerne Pritschen, die völlig verwanzt waren. [...] An jedem Bett stand ein Spind, ja eigentlich zwei Spinde, einer für diejenige, die unten schlief, und einer für diejenige, die auf dem oberen Bett schlief.
Es gab für alle gleiches Bettzeug: Strohsäcke mit Papier / Sägespänen ausgestopft und solche ekelhaften dunkelgrauen Decken.“ (zitiert von Janina Halina G., polnische Zwangsarbeiterin, 1943 untergebracht in einem Sammellager der Firma AEG in Hennigsdorf bei Berlin).
Danach kehrten wir für einen Workshop in Haus 5 zurück. Der Workshop „Kleine Dinge“ gab uns Einblicke in persönliche Gegenstände der Zwangsarbeiter, wie Akten, Briefe und Alltagsgegenstände. „Über jedem Bett gab es ein kleines Brett und darauf standen Bilder der Eltern, irgendwelche Blumen, bei manchen ein Heiligenbild. Das war der private Teil unseres Lebens.“ (zitiert von Janina Halina G. polnische Zwangsarbeiterin, 1943 untergebracht in einem Sammellager der Firma AEG in Hennigsdorf bei Berlin.). Besonders eindrucksvoll war ein Teller und ein Bombensplitter, die uns symbolisch das gefährliche Alltagsleben im Lager verdeutlichten.
Zum Abschluss präsentierten wir die Objekte in einer Ausstellung und erklärten ihre Bedeutung. Der Besuch endete um 14 Uhr und hinterließ bei uns einen bleibenden Eindruck. Es wurde uns klar, wie wichtig es ist, die Erinnerung an diese dunkle Zeit wachzuhalten und die Geschichten der Betroffenen nicht zu vergessen.
Brian Gollek und Eiman Irfan aus dem Tutorium von Herrn Weiß verfassten ebenfalls einen ausführlichen Bericht über ihren Projektt
Am 17. September 2024 besuchten wir als Kurs ein vierstündiges Seminar im Dokumentationszentrum der NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide. Der Großteil des Seminars fand in einer der ehemaligen Baracken des Lagers statt, was den Teilnehmern einen intensiven Eindruck von den damaligen Bedingungen vermittelte. Im Rahmen des Seminars wurden sowohl historische Hintergründe als auch die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter detailliert beleuchtet.
Einführung und Brainstorming
Zu Beginn des Seminars gab es ein Brainstorming, bei dem zentrale Begriffe und Ereignisse der NS-Zeit behandelt wurden. Es wurde auf den Versailler Vertrag eingegangen, der den Ersten Weltkrieg beendete und weitreichende Folgen für Deutschland hatte, darunter die wirtschaftliche und politische Instabilität, wo unter anderem Beispiele wie sowohl die Hyperinflation 1923 als auch die Weltwirtschaftskrise 1929, die den Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigten, aufgegriffen wurden. Weiterhin wurde der Moment diskutiert, in dem Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, was den Weg zur nationalsozialistischen Diktatur ebnete.
Begriffe wie Demokratie, Faschismus und Kommunismus wurden in ihrem historischen Kontext erklärt. Besonders herausgestellt wurde der Unterschied zwischen den Ideologien: Während die Demokratie die Herrschaft des Volkes und Freiheitsrechte betont, steht der Faschismus für eine totalitäre und nationalistische Herrschaft, wie sie unter Hitler etabliert wurde. Der Kommunismus, als Gegenspieler des Nationalsozialismus, vertrat die Ideologie der klassenlosen Gesellschaft, was zu starker ideologischer Feindschaft zwischen den Regimen führte.NS-Propaganda und Antisemitismus
Ein weiterer Schwerpunkt war die Rolle der Propaganda im Nationalsozialismus, die gezielt eingesetzt wurde, um Feindbilder zu schaffen und die Bevölkerung zu manipulieren. Besonders das Thema des Antisemitismus wurde eingehend behandelt. Die nationalsozialistische Ideologie betrachtete Juden nicht als religiöse Gemeinschaft, sondern als vermeintliche „Rasse“. Die Nazis verbreiteten die Verschwörungstheorie, dass die Juden die Weltherrschaft anstrebten und durch demokratische Strukturen die Welt unterjochen wollten.
Es wurde auch auf die Wurzeln des Antisemitismus eingegangen, wobei klargestellt wurde, dass dieser Begriff ursprünglich auf die Ablehnung aller semitischen Völker (einschließlich Araber) abzielte, in der NS-Ideologie jedoch ausschließlich gegen Juden verwendet wurde. Der Seminarleiter betonte die absurde Propaganda, die das nationalsozialistische Regime verbreitete, um den Holocaust zu rechtfertigen. Die pragmatische Haltung vieler Deutscher gegenüber dem Holocaust – nämlich, dass man davon profitiere – wurde ebenfalls kritisch beleuchtet. Zudem wurde aufgegriffen, inwiefern der Rassismus, welcher damals durch die Propaganda die Juden zum “Sündenbock” gemacht hat, sogar tragischerweise noch heute in der Gesellschaft ein Problem darstellt, gegen das jedoch aktiv gekämpft wird.NS-Zwangsarbeit und Lebensbedingungen im Lager
Der zentrale Bestandteil des Seminars war die Besichtigung der erhaltenen Baracken und die Auseinandersetzung mit der Zwangsarbeit im NS-Regime. Zwangsarbeiter, insbesondere aus Osteuropa, wurden systematisch als billige Arbeitskräfte eingesetzt, um die deutsche Kriegswirtschaft zu stützen. Dabei wurden sie in menschenunwürdigen Bedingungen gehalten, was uns durch die Besichtigung eines typischen Schlafraums und Waschraums veranschaulicht wurde. Die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal, und die Lebensbedingungen unterschieden sich stark je nach Herkunft der Zwangsarbeiter. Insbesondere osteuropäische Zwangsarbeiter wurden gegenüber ihren Kollegen aus Nord- und Westeuropa benachteiligt und härteren Bedingungen unterworfen.
Ein weiteres beeindruckendes Element der Führung war der Besuch eines Bunkers, der im Vergleich zu militärischen Bunkern nur eine dünne Stahlbetonschicht aufwies. Dies unterstrich die Missachtung des Schutzbedarfs der Zwangsarbeiter im Gegensatz zu den militärischen Anlagen, die für die deutsche Bevölkerung oder die Wehrmacht errichtet wurden.Rundgang über das ehemalige Lagergelände
Im zweiten Teil des Seminars führten wir einen Rundgang über das ehemalige Lagergelände durch. Dabei erfuhren wir, dass das Gelände ursprünglich bewaldet war, bevor es mit 13 Baracken bebaut wurde, von denen sechs heute Teil des Dokumentationszentrums sind. Es war besonders eindrucksvoll zu erfahren, dass die Häuser am Rand des Lagers so gebaut wurden, dass die Anwohner in das Lager hineinschauen konnten. Den Deutschen war es offenbar gleichgültig, dass sie die oft schmutzigen und ausgemergelten Zwangsarbeiter sahen. Viele deutsche betrachteten diese Personen als „minderwertig“, was durch die nationalsozialistische Propaganda genährt wurde.
Der Rundgang führte uns zu verschiedenen Punkten des Lagers, darunter neben den Waschräumen, in denen die Zwangsarbeiter duschen konnten, den Schlafbereich, wo der Seminarleiter nicht nur die Lage der Möbel darstellte, sondern ebenso die widrigen Bedingungen erläuterte.
Um uns am Ende noch tiefer in die Lage dieses Themas versetzen zu können, wurden wir damit beauftragt Plakate über Personen anzufertigen, welche damals Zwangsarbeiter waren. Dazu wurden uns als Materialien sehr übersichtliche Ordner über die Personen bereitgestellt, wo sowohl eine Biografie über die Personen als auch die persönlichen Eindrücke und sogar Berichte über die Kriegszeit vorhanden waren. Fazit
Das Seminar im Dokumentationszentrum der NS-Zwangsarbeit in Berlin- Schöneweide bot einen tiefen Einblick in die nationalsozialistische Zwangsarbeit und die schrecklichen Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter. Durch die historische Aufarbeitung und die Besichtigung der originalen Stätten wurde die unmenschliche Behandlung dieser Menschen greifbar und verdeutlichte die Dimensionen der NS-Unrechtsherrschaft. Das Seminar ermöglichte es den Teilnehmern, nicht nur die historischen Fakten zu erfassen, sondern auch die psychologischen und sozialen Mechanismen zu verstehen, die den Holocaust und die Zwangsarbeit ermöglichten und wurden so den behandelten Themen somit außerordentlich nah gebracht, was ein sehr hohes Maß an Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit ermöglicht hat.
Der Besuch des Seminars war besonders bedeutsam, da er anlässlich des Mildred Harnack Tags stattfand, der jährlich an die Widerstandskämpferin und Namensgeberin unserer Schule erinnert. Mildred Harnack, geboren am 16. September 1902, war eine zentrale Figur der 'Roten Kapelle', einer Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime. Ihr mutiger Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit führte schließlich zu ihrer Hinrichtung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1943. Ihr Schicksal steht stellvertretend für den Kampf gegen das nationalsozialistische Unrecht, dem sie ihr Leben widmete, und erinnert uns daran, wie wichtig es ist, diesen Teil der Geschichte lebendig zu halten.